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Warum traditionelle Marketingbudgetierung in volatilen Märkten versagt

Aktualisiert: 24. Apr.

Die Märkte von heute sind schneller, unberechenbarer und volatiler denn je. Marketingverantwortliche in mittelständischen B2B-Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Marketingbudgets effizient einzusetzen. Sie müssen nicht nur in der Lage sein, Budgets bei Bedarf schnell zu kürzen, sondern auch langfristig flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren können.


Dieser Artikel zeigt, warum klassische Modelle der Marketingbudgetierung nicht mehr ausreichen und welche agilen Ansätze den Anforderungen volatiler Märkte gerecht werden.




1. Traditionelle Ansätze der Marketingbudgetierung und ihre Grenzen



Klassische Modelle im Überblick


Traditionelle Budgetierungsmethoden, wie z.B. die Budgetierung auf der Basis dessen, was sich das Unternehmen leisten will, haben lange Zeit für Stabilität und Planungssicherheit gesorgt.

Sie orientieren meist an Daten aus der Vergangenheit.


Diese Verfahren sind weit verbreitet:


Budgetierung nach Leistbarkeit - wir machen, was wir uns leisten können und wollen


Die Budgetierung nach Leistbarkeit ist ein Ansatz, bei dem dem Marketing die Mittel zugewiesen werden, die das Unternehmen nach Deckung aller anderen betrieblichen Ausgaben noch zur Verfügung stellen kann oder will. Dabei kann die Planung top-down oder bottom-up erfolgen.



Retrograde Budgetierung (top down) - Chef entscheidet, was sich das Unternehmen leisten kann


  • Die Unternehmensleitung setzt das Gesamtbudget fest und verteilt es auf die einzelnen Bereiche

  • Vorteil: Schnelle Entscheidungen

  • Nachteil: eingeschränkter Handlungsspielraum für die Marketingabteilung, oft keine Berücksichtigung operativer Details



Progressive Budgetierung (bottom up) - Marketingchef entscheidet, was man sich leisten will


  • Die Budgetplanung wird von den einzelnen Abteilungen vorangetrieben, deren Bedürfnisse aggregiert werden

  • Vorteil: Nutzung des Expertenwissens der Fachbereiche.

  • Nachteil: hohes Risiko von Budgetkonflikten, viel Diskussionsbedarf und fehlende abteilungsübergreifende strategische Ausrichtung



Historische Budgetierung - wir machen es wie immer


  • Das Budget basiert auf den Zahlen des Vorjahres, ggf. mit prozentualen Anpassungen nach oben oder unten (in diesem Fall spricht man von inkrementeller Budgetierung)

  • Vorteil: Einfach umzusetzen, schnell, vertraut und mit wenig Diskussionsbedarf

  • Nachteil: Ineffizienzen der Vergangenheit werden starr fortgeschrieben, i.d.R. keine kritische Analyse der Ausgaben und Marktveränderungen werden leichter ignoriert



Prozentuale Budgetierung - wir machen es uns einfach


  • Das Marketingbudget wird als fester Prozentsatz des Umsatzes oder Gewinns definiert

  • Vorteil: Leicht kalkulierbar, direkter Bezug zum Geschäftsergebnis

  • Nachteil: In Zeiten des Abschwungs führt dies zu weniger Marketing gerade dann, wenn es am nötigsten wäre; es gibt keinen Zusammenhang zwischen Prozentsatz und tatsächlichem Marketingbedarf


Der Planungshorizont liegt übergreifend i.d.R. zwischen 1 und 5 Jahren, mit variierendem Detailgrad. Geplant wird in der Regel pro Abteilung, d.h. Marketing- und Vertriebsbudgets werden getrennt geplant und verantwortet.




Die Grenzen bei volatilen Märkten


Diese traditionellen Ansätze stoßen vor allem in volatilen Märkten an ihre Grenzen, weil sie


  • keine strategische Ausrichtung an Unternehmenszielen bieten und von tatsächlichen Marktentwicklungen entkoppelt sind.

  • zu starre Strukturen schaffen, die weder auf Krisen noch auf neue Chancen angemessen flexibel reagieren können.

  • keine kritische Überprüfung bestehender Maßnahmen fördern und ineffiziente Ausgaben routinemäßig fortführen.

  • die Rechtfertigung neuer Initiativen erschweren und daher kaum Raum für experimentelle, innovative Ansätze lassen.

  • abteilungsbasierte Budgets fördern Silodenken statt bereichsübergreifender Zusammenarbeit.



Klassische Budgetierungsmethoden stoßen in Zeiten hoher Unsicherheit und in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs schnell an ihre Grenzen.



2. Agile und datengetriebene Marketingbudgetierung – aktuellere Ansätze


Um im Zeitalter unberechenbarer Märkte bestehen zu können, setzen erfolgreiche Marketingverantwortliche und CFOs heute auf flexiblere und vor allem zukunftsorientierte Methoden mit klarem Zielbezug.



Hinweis: Wenn kein belastbares Wissen darüber besteht, welche Maßnahmen welchen ROI bringen, sollte mit dem Aufbau eines rudimentären Performance-Monitoring- und Controlling-Systems begonnen werden. Dies erleichtert die Umstellung auf alternative Budgetierungsmodelle.



Zielorientierte Budgetierung (Objective-Based Budgeting) - die Königsdisziplin


Beim Objective-Based Budgeting werden Budgets strikt an konkreten, übergeordneten Unternehmens- und Marketingzielen ausgerichtet:


  • Klare Zielbindung:

    Jeder Budgetposten wird direkt mit bestimmten strategischen Zielen verknüpft und danach bewertet, wie stark er zur Zielerreichung beiträgt.


  • Messbare Erfolgsindikatoren:

    Für jedes Ziel werden konkrete KPIs definiert, die über rein finanzielle Kennzahlen hinausgehen und auch schwerer messbare Aspekte wie Markenwahrnehmung oder Kundenzufriedenheit berücksichtigen können.


Praxis-Tipp:

In der Regel starten Marketingverantwortliche mit drei bis fünf priorisierten Marketingzielen, die direkt aus den Unternehmenszielen abgeleitet und abteilungsübergreifend abgestimmt werden. Dabei wird jeder Marketingmaßnahme ein primäres Ziel zugeordnet und festgelegt, wie der Erfolg gemessen wird.



ROI-basierte Marketingbudgetierung - finanzgetriebene Lösung


Diese Methode konzentriert sich auf den reinen Return on Investment (ROI). Hier gilt:


  • Dynamische Anpassungen:

    Durch regelmäßige Auswertungen, im besten Fall von Echtzeitdaten, kann das Budget schnell in erfolgreiche Kampagnen umgeschichtet und weniger effektive Maßnahmen reduziert werden.


  • Transparente Erfolgsmessung:

    Transparente Erfolgsmessung: Jeder Euro wird danach bewertet, welchen messbaren Mehrwert er generiert - von der Umsatzsteigerung bis zur Steigerung der Markenbekanntheit.


Praxis-Tipp:

Für diese Budgetmethode ist ein belastbares Monitoringsystem unabdingbar, das die ROI-relevanten KPIs kontinuierlich erfasst. Für Unternehmen mit sehr wenigen Großkunden oder einem hohen Anteil an reinen Kommunikationsmaßnahmen ist die Methode nur bedingt geeignet, da deren direkter Einfluss schwer nachweisbar ist. SaaS-, B2B-Tech- oder E-Commerce-Unternehmen mit vielen unterschiedlichen digitalen Kampagnen tun sich mit dieser Methode leichter.


Zum Unterschied zwischen Objective Based Budgeting und ROI-basierter Budgetierung:


Während sich die ROI-basierte Budgetierung auf den messbaren finanziellen Ertrag jeder Marketinginvestition konzentriert, richtet die zielbasierte Budgetierung die Ausgaben an übergeordneten strategischen Unternehmenszielen aus, die auch nicht-finanzielle Aspekte wie Markenbekanntheit umfassen können.


Zero-Based Budgeting (ZBB) - Planung ohne Altlasten


Beim Zero-Based Budgeting wird das Budget für jede neue Periode von Grund auf neu erstellt:


  • Jeder Euro zählt:

    Alle Ausgaben müssen jedes Jahr detailliert begründet werden, was zu einer konsequenten Überprüfung und Rationalisierung der Kosten führt.


  • Kultur des Kostenbewusstseins:

    Durch die Neubewertung aller Budgetposten wird unnötiger Ballast schneller abgebaut und Ressourcen fließen gezielt in Aktivitäten mit hohem ROI.


Praxis-Tipp:

Marketingverantwortliche beginnen jede Budgetperiode mit einer umfassenden Analyse der vergangenen Ausgaben und definieren klare Kriterien für die Rechtfertigung zukünftiger Ausgaben - auch wenn es weh tut. Diese Budgetmethode erfordert nicht nur schonungslose Ehrlichkeit, sondern auch ein belastbares Performance- und Controllingsystem. Der hohe Abstimmungs- und Diskussionsaufwand zahlt sich meist aus.



Rollierende Budgetierung - maximale Flexibiliät, maximale Diskussion


Ein weiterer flexibler Ansatz ist die rollierende Budgetierung:


  • Kontinuierliche Aktualisierung:

    Statt einmal im Jahr ein festes Budget zu erstellen, wird das Budget regelmäßig (z.B. quartalsweise) überprüft und angepasst.


  • Flexibilität und Reaktionsfähigkeit:

    Unternehmen bleiben so immer nah am Marktgeschehen und können schnell auf wirtschaftliche Veränderungen reagieren.


Praxis-Tipp:

Klare Spielregeln für das Senken (einfach) und Heben (schwierig) des Budgets sind elementar. Oft kann mit dem CFO ein Maximalbudget vereinbart werden. Die rollierende Planung macht nur Sinn, wenn auch die Budgets der angrenzenden Abteilungen Vertrieb oder Produktmanagement rollierend angepasst werden. Eine quartalsweise Überprüfung lohnt sich nur für Unternehmen mit hohen und flexiblen Ad Spendings.


Es gibt kein One-Size-Fits-All. Gerade für mittelständische Unternehmen ist oft eine Kombination sinnvoll: zum Beispiel eine zielbasierte Budgetierung für die grundsätzliche Verteilung des Budgets auf verschiedene Bereiche, und innerhalb dieser Bereiche dann ROI-basierte Optimierung für die effizienteste Mittelverwendung. Auch eine Kombination mit traditionellen Methoden kann für bestimmte Branchen und Geschäftsmodelle sinnvoll sein.






3. Fazit und Handlungsempfehlungen


Die Gartner-Studie 2024 offenbart ein deutliches Bild der Budgetierungspraxis in europäischen Unternehmen und die ist wenig zukunftsorientiert.


Visualisierung einer Umfrage als Balkendiagramm, das die verschiedenen Budgetmethoden aufzeigt, wie sie in europäischen Unternehmen in Verwendung sind.

n = 195 European CMOs; Q: Which of the following had the greatest influence when setting the organization's 2024 marketing budget? Source: 2024 Gartner CMO Spend Survey; Note: European region: France, Germany, United Kingdom, Benelux (Belgium, Netherlands, Luxemburg), Nordics (Norway, Sweden, Denmark)


Fast die Hälfte der Unternehmen budgetiert entweder anhand dessen, was man sich leisten kann (und will) oder nach einem festen Prozentsatz des Umsatzes.


Vorausschauende, zielorientierte Budgetierungsmethoden werden in europäischen Unternehmen mit nur 30% deutlich seltener eingesetzt als traditionelle Methoden. Diese flexiblen, agilen Ansätze bieten jedoch folgende Vorteile


  • Mehr Flexibilität: Budgetressourcen können kurzfristig dorthin umgeschichtet werden, wo sie die größte Wirkung erzielen

  • Bessere Entscheidungen: Durch kontinuierliche Analyse und datengestütztes Performance Monitoring wird jede Ausgabe validiert

  • Mehr Effizienz: Eine fokussierte Ressourcenallokation führt zu einer nachhaltigeren Marketingperformance



Grundsätzlich ist Performance Monitoring elementar um ineffiziente Ausgaben zu identifizieren, die Budgets flexibler aufzubauen und so überhaupt erst an Veränderungen im Verhalten von Kunden und Wettbewerbern anzupassen. Ohne KPIs und Daten geht es nicht.


Statt rückwärts zu budgetieren, erlauben sie den Blick nach vorne. Zukunftsfähiges Marketing basiert auf dem, was wirkt und wirken wird – nicht auf dem, was war.

Quellen:

Gartner (2024). "European CMOs: Communicate Marketing’s Value and Shift to Objective-Based Budgeting"

Ergenzinger, Rudolf et al (2020). "Marketing: Konzepte, Strategien, Instrumente, Controlling: Konzepte, Strategien, Instrumente, Controlling




Portraitfoto von Julia Iffert-Scherbeck

Über mich und meine Arbeit

Ich bin Julia und gestalte mit mittelständischen B2B- und B2B2C-Unternehmen die zukunftssichere Neuausrichtung ihres Marketings, in der Regel im Rahmen größerer Transformationsprozesse oder M&A.

Wenn ich mit Ihnen die Transformation ihres Marketings vorantreiben soll, lassen Sie uns sprechen.





Mehr Informationen über mich und meine Arbeit als B2B Marketing Consultant, Interim Marketing Manager und Fractional CMO (oder wie auch immer wir die Rolle dann nennen wollen) finden Sie unter Leistungen.



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