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CEO-CMO-Beziehung: Vom Missverständnis zur Wachstumsallianz

Aktualisiert: 5. Juni


Strategisches Wachstum beginnt mit der CEO-CMO-Beziehung


Wachstum ist im heutigen Marktumfeld keine Selbstverständlichkeit mehr. Gleichzeitig steigt die Komplexität von Marketing und Kommunikation. Aufgrund steigender Ansprüche müsste sich die Rolle des Marketings eigentlich fundamental verändern: hin zu einer strategischen Instanz auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung. In der Praxis wird Marketing in vielen Organisationen jedoch zur ausführenden Funktion degradiert und die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Marketingverantwortlichen bleibt defizitär. Dabei liegt gerade in dieser Beziehung ein oft unterschätzter Hebel für unternehmerische Entwicklung: Unternehmen mit einer starken Zusammenarbeit zwischen CEO und CMO verzeichnen signifikant höhere Wachstumsraten (Quelle).


Der vorliegende Beitrag analysiert, warum die produktive Kooperation zwischen CMO und CEO ein zentraler Baustein für nachhaltiges Wachstum ist, welche strukturellen Hindernisse dieser der Zusammenarbeit entgegenstehen und leitet daraus Handlungsoptionen für mittelständische Unternehmen ab.


* In diesem Text spreche ich der Einfachheit halber vom „CMO”. Angesprochen fühlen dürfen sich alle Marketingverantwortlichen, die in direkter Berichtslinie zum CEO stehen (oder irgendwann stehen wollen).





Wie die fehlende Zusammenarbeit zwischen CEO und CMO zur Wachstumsbremse wird


Marketing operiert zunehmend in einer paradoxen Situation: Während die Komplexität von Marktbearbeitung und Kommunikation steigt, wird die Funktion systematisch in operative Rollen gedrängt. Marketing wird so zur ausführenden Dienstleistungsabteilung statt zur gestaltenden Kraft hinter der Unternehmensstrategie.


"One of the troubling things we saw was that CMOs were being moved to executors of the strategy rather than being the ones to help create the strategy." (McKinsey, 2024)

Eine Erhebung von Gartner aus dem Jahr 2025 bestätigt diese Beobachtung: Nur 45 Prozent der CMOs übertreffen laut CEOs die Erwartungen, obwohl sie objektiv ihre Ziele erreichen. Diese Diskrepanz entsteht nicht durch mangelnde Leistung, sondern durch die unzureichende Übersetzung der Marketing-Wirkung in geschäftsrelevante Kennzahlen.


Verstärkt wird diese Problematik durch organisatorische Fragmentierung. Neue C-Level-Funktionen wie Chief Revenue, Digital oder Customer Officers haben die traditionellen vier Ps des Marketings auf verschiedene Rollen verteilt.


Zudem verfügen die wenigsten CEOs in mittelständischen Unternehmen über umfangreiche Marketing-Kompetenz. In Kombination mit einer dünnen Datengrundlage erschwert dies das Treffen fundierter Entscheidungen.


Die Konsequenzen sind messbar: Marketing verharrt in taktischen Rollen ohne strukturelle Wirkung. Kundensignale und Marktbeobachtungen versanden im operativen Geschäft, anstatt strategische Entscheidungen zu informieren.






Der Wachstumseffekt funktionierender CEO-CMO-Partnerschaften

Wachstumsstarke Unternehmen weisen ein gemeinsames Muster auf: Ihre CMOs agieren als Brückenbauer zwischen Kundenperspektive und Unternehmenssteuerung. Sie können Marketing-Potenziale in der Sprache ihrer C-Suite-Kollegen artikulieren, wodurch ihre Budgets häufiger vor Kürzungen geschützt bleiben und sie durchschnittlich 48 Prozent länger im Amt bleiben.


Der Mechanismus basiert auf geteilter Verantwortung. Erfolgreiche CMOs entwickeln beispielsweise mit CTOs gemeinsame Visionen zur Datenintegration und Personalisierung. CTOs, die sich für Marketing-Ergebnisse mitverantwortlich fühlen, stellen eher dedizierte Ressourcen bereit. Ähnliche Kooperationen entstehen mit CFOs durch nachvollziehbare Erfolgsmessung.


Die Wirkung lässt sich quantifizieren: Unternehmen, die personalisierte Kundeninteraktionen über alle Touchpoints hinweg optimieren, erzielen laut McKinsey bis zu 30 Prozent höhere Marketing-Effizienz (Quelle). Entscheidend dabei: "Alle Touchpoints" umfasst auch jene außerhalb der Marketing-Kontrolle – von Rechnungsstellung über Kundenservice bis zur Produktentwicklung. Diese abteilungsübergreifende Koordination funktioniert nur durch intensive Kollaboration zwischen Marketingverantwortlichen und anderen Leitungsfunktionen.


Marketingverantwortliche müssen aktiv ihre Rolle als Verbindungsglied zwischen Kundensicht und Unternehmenssteuerung ausfüllen, Allianzen im Führungsteam aufbauen und die (Finanz-)Sprache von Geschäftsführung und Management sprechen.




Was CEOs für eine funktionierende Partnership beitragen müssen


Die Verantwortung für eine produktive CEO-CMO-Beziehung liegt nicht allein beim Marketing. CEOs müssen aktiv Rahmenbedingungen schaffen, die strategische Marketing-Arbeit ermöglichen.


Das beginnt mit einem Realitätscheck: 90 Prozent der CEOs glauben laut McKinsey, sie verstehen den Marketing-Nutzen. Nur 50 Prozent der CMOs teilen diese Einschätzung. Diese Wahrnehmungslücke entsteht nicht zufällig – lediglich 10 Prozent der Fortune 250 CEOs verfügen über Marketing-Erfahrung. Was fehlt, ist oft grundlegendes Verständnis für moderne Marketing-Mechanismen, Datenintegration und die Komplexität von Kundenreisen.

Erfolgreiche CEOs investieren bewusst in Marketing-Kompetenz. Sie begleiten CMOs zu Branchenveranstaltungen, lassen sich neue Technologien erklären und nehmen an Marketing-Weiterbildungen teil.


Die organisatorische Dimension ist ebenso relevant. CEOs müssen Marketing explizit in strategische Entscheidungsprozesse einbeziehen – nicht als nachgelagerte Umsetzungsinstanz, sondern als Mitgestalter von Anfang an. Das bedeutet: Marketingverantwortliche gehören in Strategierunden, Produktentscheidungen und Budgetdiskussionen.

Die besten CEO-CMO-Teams entwickeln gemeinsame Erfolgs- und Zieldefinitionen, die sowohl Marketing-Wirkung als auch Geschäftsergebnisse umfassen.


Was ein CMO heute wirklich können muss


CMOs tragen dabei die Hauptverantwortung für den Aufbau dieser Beziehung.

Eine tragfähige CEO-CMO-Beziehung verlangt mehr als kommunikative Abstimmung. Sie setzt auf beiden Seiten ein tiefes Verständnis zentraler betriebswirtschaftlicher und marktbezogener Zusammenhänge voraus. Gerade in mittelständischen Unternehmen, in denen Ressourcen und interne Spezialkompetenzen oft begrenzt sind, kommt es auf die Fähigkeit an, Beitrag und Wirkung der Marketingabteilung in der Sprache der Management-Kolleg*innen nachvollziehbar und verständlich zu vermitteln. 


Auf Seiten der Marketingverantwortlichen umfasst das insbesondere:


1. Finanzielle und operative Marketingkompetenz

Marketingverantwortliche müssen zentrale Kennzahlen wie ROMI, CLV oder den Deckungsbeitrag kennen und verstehen. Klickzahlen oder Social-Media-Reichweiten reichen nicht aus, weil sie zu wenig Substanz liefern.


2. Strategische Denkweise und Marktübersetzung

Wer im Führungsteam gehört werden will, muss Kunden- und Marktsignale lesen, verdichten und in der Sprache des Managements kommunizieren können. Entscheidend ist die Verdichtung von Marktbeobachtungen in konkrete, nachvollziehbare Handlungsoptionen.


3. Strategische Führungskommunikation

CMOs bewegen sich zwischen Unternehmensstrategie, Markt und Organisation und müssen daher an dieser Schnittstelle kommunizieren. Sie müssen komplexe Zusammenhänge in der jeweiligen Sprache von CEO, CFO und COO vermitteln können.


4. Organisationsverständnis und Führungsstärke

Besonders im Mittelstand gibt es zahlreiche Schnittstellen zu anderen Funktionen – von Vertrieb über Produkt bis HR. CMOs müssen hier Allianzen aufbauen und mit politischen Antennen navigieren, wenn disziplinarische Durchsetzungskraft fehlt. Führungsstärke zeigt sich in diesen Fällen in der Fähigkeit, ohne formale Macht Veränderungen zu bewirken.







Konkrete Handlungsempfehlungen und Tipps zur Verbesserung der CMO-CEO-Beziehung für CMOs


Die Realität in mittelständischen Unternehmen ist höchst unterschiedlich: Während manche bereits über ausgefeilte Marketing-Dashboards und CRM-Systeme verfügen, kämpfen andere noch mit der grundlegenden Erfassung von Marketingdaten.


Die folgenden Ansätze richten sich an Marketinverantwortliche und sind daher nach Komplexitätsstufen gegliedert und referenzieren auf die vier eben dargelegten Kompetenzbereiche.



1. Finanzielle und operative Marketingkompetenz


1.1. Grundstufe

  • Mit drei einfachen Kennzahlen starten, die den Beitrag des Marketings zum Geschäftserfolg greifbar machen, zum Beispiel: Anzahl qualifizierter Anfragen pro Monat, deren Herkunft sowie ein grober Umsatzanteil.*

  • Wöchentlich zehn Minuten investieren, um in einem Marketing-Tagebuch festzuhalten, was umgesetzt wurde, welche Rückmeldungen es gab und was gelernt wurde. Diese Notizen bilden die Basis für eine qualitative Erfolgsmessung und belastbare Jahresplanung.


1.2. Ausbaustufe

  • Ein kompaktes, regelmäßig aktualisiertes Dashboard erstellen – fünf bis sieben Kennzahlen genügen. Entscheidend ist, dass sie Umsatzbezug haben, etwa ROMI, CLV oder Conversion Rates.

  • Für jede größere Maßnahme ein einfacher Business Case: nicht „Wir brauchen 50.000 € für LinkedIn“, sondern die Argumentation über Lead-Generierung und geschätzte Conversion-Raten zu konkreten Umsatzprognosen aufbauen.


1.3. Integrationsstufe

  • Gemeinsam definierte Kennzahlen mit dem Controlling abgleichen und im unternehmensweiten Reporting verankern.

  • Quartalsweiser Austausch mit dem CEO (und CFO sowie CSO) mit dem Ziel Marketingmaßnahmen mit der Geschäftsentwicklung zu verknüpfen: Welche Investitionen wurden getätigt, welche Umsätze lassen sich darauf zurückführen, wie sieht die Pipeline aus? 



2. Strategische Denkweise und Marktübersetzung


2.1. Grundstufe

  • Statt abstrakter Schlagworte wie „Digitalisierung vorantreiben“ drei bis fünf konkrete Ziele für das Jahr formulieren, zum Beispiel „Anzahl qualifizierter Website-Anfragen bis Oktober verdoppeln“.


2.2. Ausbaustufe

  • Ein monatlicher „Voice-of-Customer“-Bericht hilft, aus Rückmeldungen fundierte Handlungsempfehlungen für Produkt, Vertrieb und Strategie abzuleiten. Erfasst werden dafür zum Beispiel wiederkehrende Kundenfragen, Beschwerden, Feature-Wünsche oder Signale zu Preis- und Serviceerwartungen.


2.3. Integrationsstufe

  • Ein regelmäßiges Wettbewerbsbriefing hilft, strategische Entscheidungen fundierter zu treffen. Es sollte kompakt und gezielt aufzeigen, welche Produktentwicklungen, Preisänderungen oder Kommunikationsstrategien bei den Hauptwettbewerbern beobachtet wurden, ergänzt um eine kurze Bewertung der Implikationen für das eigene Unternehmen.

  • Wettbewerbs- und Voice-of-Customer-Berichte lassen sich auch quartalsweise oder jährlich zu knappen Strategie-Memos auf maximal zwei Seiten verdichten, die konkrete Handlungsempfehlungen auf Meta-Ebene liefern.



3. Strategische Führungskommunikation


3.1. Grundstufe

  • Fachjargon übersetzen: Aus „Brand Awareness steigern“ wird „Marktanteil von 12 % auf 18 % ausbauen“, aus "SEO" wird "Auffindbarkeit verbessern"


3.2. Ausbaustufe

  • Konsequent die „So-What“-Regel beachten, d.h. geschäftsrelevanten Kontext liefern. Ein Beispiel: "Traffic +47%" wird zu "47% mehr Website-Zugriffe ermöglichen Q4-Zielerreichung ohne zusätzliche Kaltakquise."


3.3. Integrationsstufe

  • Marketing-Narrative, proaktiv geliefert, beeinflussen strategische Diskussionen: Regelmäßige Impuls-Sessions außerhalb bestehender Reportingpfade mit CFO, COO und anderen Funktionsleitern etablieren Marketing als strategischen Gesprächspartner.



4. Organisationsverständnis und Führungsstärke


4.1. Grundstufe

  • Jede Woche ein kurzes Gespräch mit dem Vertriebsteam: Welche Fragen stellen Kund*innen? Welche Rückmeldungen gibt es zu Kampagnen oder Unterlagen? Diese Gespräche liefern direkte Impulse für Content, Materialien oder Prioritäten in der Kundenansprache.

  • Alle drei Monate ein kompaktes Update an zentrale Ansprechpartner im Unternehmen, per Mail oder in einem Jour Fixe. Inhalt: Was wurde erreicht, was kommt als Nächstes, wo braucht es Unterstützung. Drei Absätze reichen häufig.


4.2. Ausbaustufe

  • Eine einfache Übersicht aller relevanten Abteilungen und Funktionen (Stakeholder-Matrix), inklusive ihrer Ziele, KPIs und Herausforderungen hilft bei der Entwicklung gemeinsamer Maßnahmen und in der Kommunikation.

  • Sales-Marketing-Syncs zu Meetings mit klarer Agenda etablieren, in denen konkret über die Lead-Qualität, Attribution der Pipeline und gemeinsame Accounts gesprochen wird. Dabei verbindliche Service Level Agreements definieren, etwa zur Bearbeitungszeit von Leads oder zum Feedback-Prozess.


4.3. Integrationsstufe

  • Marketing partizipiert konstant in strategischen Steuerungskreisen mit eigenen Markt- und Kundenperspektiven.

  • Strategieworkshops oder Führungsklausuren mitgestalten, nicht nur begleiten (oder gar nur organisieren), zum Beispiel durch Impulse aus der Marktbeobachtung, Kundenfeedback oder Trends.



Fazit: Von der Funktionsgrenze zur gemeinsamen Verantwortung

Der strukturelle Graben zwischen CEO und CMO ist nicht nur eine Frage von Kommunikation oder gegenseitigem Vertrauen. Er verweist auf ein tieferliegendes Problem: Marketing bleibt in vielen Organisationen nicht deshalb wirkungslos, weil es übersehen wird, sondern weil es die unternehmerische Relevanz seines Tuns nicht systematisch vermittelt.

Wo die Beziehung zwischen CEO und CMO hingegen bewusst gestaltet wird, entsteht eine Partnerschaft, die weit über Kommunikation hinausgeht. Sie prägt, wie Unternehmen wachsen, sich positionieren – und welche Geschichte sie erzählen.




Portraitfoto von Julia Iffert-Scherbeck

Über mich und meine Arbeit

Ich bin Julia und gestalte mit mittelständischen B2B- und B2B2C-Unternehmen die zukunftssichere Neuausrichtung ihres Marketings, in der Regel im Rahmen größerer Transformationsprozesse oder M&A. Wenn ich mit Ihnen die Transformation ihres Marketings vorantreiben soll, lassen Sie uns sprechen.





Mehr Informationen über mich und meine Arbeit als B2B Marketing Consultant, Interim Marketing Manager und Fractional CMO (oder wie auch immer wir die Rolle dann nennen wollen) finden Sie unter Leistungen.

Randnotizen

Ich arbeite in der Regel für mittelständische Unternehmen mit B2B- und B2B2C-Geschäftsmodellen mit mindestens achtstelligem Umsatz. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen schreibe ich auch meine Texte.



Fußnoten:

* ich weiß, dass Attribution komplexer ist. Hier geht's um die ersten Schritte. Better done than perfect.


Quellen und weiterführende Lektüre:

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