Customer Insights in M&A: Warum Kunden wirklich kaufen und warum das im M&A so oft übersehen wird
- Julia Iffert
- 16. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Sie haben Ihre Commercial Due Diligence (CDD) durchgeführt. Sie wissen genau, was jeder Kunde wert ist, wie hoch der Customer Lifetime Value liegt, welchen Jahresumsatz sie bringen, wie lange ihre Verträge laufen und viele andere hilfreiche Kennzahlen, die Ihnen helfen, Wachstumspotenzial des Zielunternehmens einzuschätzen.
Aber haben Sie sich jemals die Frage gestellt, warum diese Kunden eigentlich bei Ihrem Target kaufen?

Die entscheidende Frage nach dem Warum wird häufig übersehen: Warum Customer Insights in M&A frühzeitig erhoben werden müssen
Die Frage, wie Kunden kaufen und loyal bleiben, wird in der CDD häufig in quantitativen Begriffen behandelt. Das Warum wird dagegen oft überraschend wenig qualitativ untersucht – obwohl die Validierung des Kunden und des Produkt- bzw. Serviceangebots in der Commercial Due Diligence Standard ist.
Dafür gibt es häufige Gründe, besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen: Zeitdruck, starke Abhängigkeit von bestehenden Daten und mangelnde Informationen und Erkenntnisse zu Kundenbedürfnissen und -wünschen
Beim Zeitdruck kann ich nicht viel helfen, aber im Verlauf dieses Artikel gebe ich Ihnen Lösungen für die anderen beiden Herausforderungen mit.
Warum die Unkenntnis des Warum problematisch ist
Wenn Sie nicht frühzeitig im M&A-Prozess eruieren, warum Kunden das Unternehmen wirklich wählen, wird Sie das früher oder später in den Hintern beißen!
Warum das so ist: Das Verständnis dafür, warum Kunden kaufen, bleiben oder gehen, ist entscheidend, um die echten Werttreiber des Unternehmens zu identifizieren – sowohl heute als auch in Zukunft. Nur so können Unternehmen vorhersehen, wie Kunden auf die unvermeidlichen Veränderungen reagieren werden, die Fusionen und Übernahmen mit sich bringen.
Warum Kunden kaufen und loyal bleiben, hat direkte strategische Auswirkungen auf:
1️⃣ Risikoreduktion: Die Kenntnis darüber, warum Kunden kaufen, bleiben und gehen, ermöglicht es Ihnen, sich verändernde Kundenbedürfnisse und Unzufriedenheit früh zu erkennen. So können Sie Ihre Customer Retention Maßnahmen gezielter fokussieren.
2️⃣ Integrationspläne: Erkenntnisse über echte Kundenbedürfnisse beeinflussen die Ausrichtung von Produkten, Services und Kommunikation während der Integrationsphase.
3️⃣ Branding: Das Verständnis funktionaler und emotionaler Treiber gewährleistet, dass das Marken- und Produktportfolio weiterhin Anklang findet.
4️⃣ Preisgestaltung: Die Kenntnis des wahrgenommenen Werts und der Kauftreiber ist entscheidend für eine Preisgestaltung, die von den Kunden akzeptiert wird.
5️⃣ Wachstumsinitiativen: Tiefe Erkenntnisse decken ungenutztes Potenzial, Cross-Selling-Möglichkeiten sowie Serviceverbesserungen auf.
Die meisten Fusionen und Übernahmen bringen grundlegende Veränderungen mit sich: neue Marken, Produkte, Prozesse und Kontaktpunkte. All das kann Kunden verunsichern.
Verlassen wir uns ausschließlich auf historische, quantitative Daten, ignorieren wir eine entscheidende Tatsache: Vergangenheitszahlen spiegeln nicht wider, wie Kunden nach dem Deal auf diese Veränderungen reagieren werden. Die Motive der Kunden bieten kritische Einblicke, wie sie wahrscheinlich in Zukunft reagieren werden. Das ermöglicht eine fundierte Bewertung, zuverlässigere Prognosen und eine erfolgreiche Integration.
Kurz gesagt: Ohne Erkenntnisse über das „Warum” Ihrer Kunden werden Sie nach dem Deal mit mehreren Überraschungen konfrontiert.

So finden Sie das Warum Ihrer Kunden
Wie Sie das „Warum” Ihrer Kunden identifizieren, hängt stark von Ihrer Kundenstruktur und Ihrem Geschäftsmodell ab.
Unternehmen verfügen in der Regel über eine breite Datenbasis. Ich beginne normalerweise damit, Kundenzufriedenheitsumfragen, Beschwerden und Anfragen zu sichten, die an die Sales- und Kundenservice-Teams gesendet wurden. Außerdem werfe ich einen Blick auf Google Analytics/Ads, CRM, Social Media und andere MarTech-Daten.
Wenn die bestehenden Daten nicht ausreichen (was wahrscheinlich der Fall ist) oder wenn Sie vergleichbare Daten von beiden fusionierenden Unternehmen benötigen, empfehle ich die folgenden Forschungsmethoden, um zu verstehen, warum Kunden wählen, bleiben oder gehen. All diese Methoden können durchgeführt werden, ohne den wahren Grund Ihrer Anfrage preiszugeben – beispielsweise im Rahmen der Due Diligence.
1️⃣ Strukturierte Umfragen (quantitative Validierung)
Sie ermöglichen es, Hypothesen über die Gründe, warum Kunden eine Lösung wählen, zu testen und zu quantifizieren. Sie zeigen, welche Kriterien – etwa nahtlose Integration, Service-Level oder Switching-Risiken – bei einer sehr breiten Käuferbasis am wichtigsten sind.
Beispiel: Ein SaaS-Anbieter befragt mehrere hundert Einkäufer und technische User und stellt fest, dass die nahtlose Integration in bestehende Systeme das entscheidende Auswahlkriterium „Preis” überwiegt.
2️⃣ Fokusgruppen (übereinstimmende Einstellungen und Bewertungskriterien)
Obwohl sie im B2B-Kontext selektiver eingesetzt werden, können Fokusgruppen Einstellungen und Anforderungen aufdecken, die mehrere Käufer teilen. Sie klären, welche Pain Points die Entscheidungsfindung beeinflussen, und beleuchten Reibungspunkte, die in Einzelgesprächen oder Umfragen möglicherweise nicht zutage treten.
Beispiel: Ein Industrieanlagenhersteller führt beispielsweise Gruppen mit Logistikmanagern durch (= ähnliches Segment und Buyer Journey) und entdeckt, dass Zuverlässigkeit in automatisierten Prozessen der stärkste Treiber bei der Lieferantenwahl ist.
3️⃣ Kundeninterviews (tiefgehende Informationen zur Entscheidung)
Eins-zu-eins-Interviews bieten das umfassendste Verständnis von Käufermotivationen. Sie ermöglichen es Teams, hinter anfänglichen Aussagen nachzubohren und die echten Treiber von Kaufentscheidungen aufzudecken – von operativen Schmerzpunkten bis hin zu internen politischen Dynamiken.
Beispiel: Ein Anbieter von Cybersicherheit interviewt CISOs und stellt fest, dass die schnelle Reaktion des Anbieters bei Sicherheitsvorfällen der Hauptgrund für die Kundenloyalität ist – weit wichtiger als die technische Funktionsbreite.
4️⃣ Verhaltensanalyse (objektive Evidenz dessen, was zählt)
Die Analyse des echten Kundenverhaltens hilft dabei, Motivationen aufzudecken, die Kunden möglicherweise nicht direkt artikulieren. Nutzungsmuster oder das Engagement mit bestimmten Features bieten konkrete Belege dafür, was Wert für Nutzer und Kunden schafft.
Beispiel: Ein Workflow-Software-Unternehmen entdeckt beispielsweise, dass Kunden, die Automatisierungsfunktionen intensiv nutzen, signifikant höhere Verlängerungsquoten aufweisen. Das zeigt, dass messbare Effizienzgewinne ein echter Kauftreiber sind.
5️⃣ Social und Digital Data (ungefilterte Frühindikatoren)
Engagement-Daten von LinkedIn, Foren und gezielten Digital Ads können Hinweise darauf liefern, welche Themen bei Entscheidungsträgern Anklang finden, grundsätzlich und unternehmensspezifisch.
Beispiel: Ein Anbieter von Cloud-Services analysiert LinkedIn-Interaktionen und bemerkt, dass Inhalte zur Datensouveränität konsistent Enterprise-IT-Manager anziehen. Das lässt vermuten, dass dies ein wachsender Kaufmotivator ist.
6️⃣ Voice-of-Customer-Programme (kontinuierlicher Einblick in Käuferprioritäten)
Voice-of-Customer-Programme aggregieren fortlaufendes Feedback aus dem Account Management, dem Customer Success und Support-Interaktionen. Sie zeigen, wie sich Kundenerwartungen entwickeln, und geben Einblicke in die echten Treiber hinter Verlängerungen, Expansionen oder frühem Churn.
Beispiel: Ein Managed-Services-Provider analysiert Notizen aus Quarterly Business Reviews und Support-Interaktionen und erkennt ein konsistentes Muster: Kunden, die früh verlängern, sagen häufig Dinge wie „Bei Ihnen gibt es keine Überraschungen” oder „Ihr Team behebt Probleme schnell”. Diese wiederkehrenden Kommentare zeigen, dass Planbarkeit und schnelle Problembehebung die Gründe sind, warum Kunden loyal bleiben.
Die häufigsten Fallstricke
Das sind die zwei häufigsten Fehler, die bei der Erhebung des "Warum" gemacht werden.
1️⃣ Sie befragen die falschen Menschen.
Vermeiden Sie den einfachen Weg und interviewen nur Sales-, Kundenservice-Teams oder Management. Dann bekommen Sie gefilterte oder voreingenommene Interpretationen des "Warum" der Kunden – oder noch schlimmer, zu optimistische.
Dennoch beginne ich immer mit internen Stakeholdern, weil sie mir die Hypothesen für das "Warum" liefern, die es wert sind, getestet zu werden.
2️⃣ Sie sammeln Daten statt Erkenntnisse.
Mittelständische Unternehmen ersticken in Daten. Aber einfach nur den Status quo zu beschreiben – zum Beispiel „Kundensegment A hat höhere Verlängerungsquoten als Segment B" – bringt Ihnen nur deskriptive, vergangenheitsorientierte Erkenntnisse.
Sie wollen die Grundursachen des Kaufverhaltens, die Schmerzenspunkte, und Wechselgründe etc. identifizieren. Dort finden Sie das wahre Warum.
Und sobald Sie dieses Warum verstehen, können Sie vorhersagen, wie Kunden nach dem Deal reagieren werden.
Das Wichtigste
Daten zeigen, was passiert ist. Erkenntnisse erklären, warum es passiert. Das Verständnis dieses „Warum” hinter den Kaufentscheidungen ist die einzige Möglichkeit, um während eines Deals bessere Entscheidungen zu treffen – egal, ob Sie Risiken bewerten, die Integration planen oder die Marketing- und Salesstrategie gestalten.
