Wenn M&A-Integration am Kunden scheitern
- Julia Iffert
- 25. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Aug.
Unternehmen kalkulieren bei horizontalen Fusionen und Übernahmen mit Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen, allerdings häufig mit überhöhten Erwartungen. Denn geplante Kostensynergien erweisen sich aus Kundensicht nicht selten als Leistungsabbau, wenn Effizienzmaßnahmen die Servicequalität spürbar verschlechtern. Erwartete Umsatzsynergien bleiben aus, wenn Kunden das erweiterte Angebot nicht annehmen oder eine wachsende Abhängigkeit vom fusionierten Anbieter befürchten.
Die fehlende Berücksichtigung dieser Kundenperspektive zählt zu den zentralen Gründen, warum 60 bis 80 Prozent aller M&A-Transaktionen ihre Ziele verfehlen.
Synergien entfalten ihre Wirkung nur dann nachhaltig, wenn auch die Kunden davon profitieren. Drei zentrale Ursachen zeigen exemplarisch, warum Fusionen an der Kundenrealität scheitern – und was dagegen hilft:
Warum viele M&A-Integrationen an den Kunden scheitern
Kundenbedürfnisse werden bei der Planung ignoriert
Überlappende Angebote führen zu Kannibalisierung
Schlüsselpersonen aus dem Vetrieb gehen und Kunden mit ihnen
1. Die Kundenbedürfnisse werden in der M&A-Integration systematisch übersehen
In der Praxis stehen bei vielen Post-Merger-Integrationen die internen Prozesse im Mittelpunkt. Es werden Strukturen optimiert, Kostenpotenziale identifiziert und Zuständigkeiten neu geordnet.
Dabei kommt die Perspektive der Kunden oft zu kurz.
Im Rahmen des Tagesgeschäfts können aktuelle Geschäftsbeziehungen in den Hintergrund treten, wenn die Auswirkungen von Effizienzmaßnahmen auf bestehende Kunden nicht ausreichend berücksichtigt werden. Diese sind im Hinblick auf zukünftige Preise, Qualität und ihre Ansprechpartner verunsichert, was letztlich dazu führt, dass sie zur Konkurrenz abwandern und die Umsätze sinken. (1)
Was dagegen hilft:
Vom Markt her denken. Die grundlegende Frage lautet nicht, welche internen Prozesse effizienter gestaltet werden können, sondern: Was erwartet der Markt vom neuen Unternehmen – und wie lässt sich diese Erwartung übertreffen?
Zukunftsorientierte Commercial Due Diligence. Sie muss sowohl das Produktportfolio – inklusive Kundennutzen und Positionierung im Wettbewerbsumfeld – als auch das Kundenportfolio abdecken. Dazu zählen unter anderem Kundenverhalten, potenzielle Abhängigkeiten und Share of Wallet. Beide Perspektiven sind auch mittel- und langfristig zu berücksichtigen.
Kunden-Fokus-Teams etablieren. Diese spezialisierten Teams planen und steuern alle kundenorientierten Initiativen – von der Kommunikation bis hin zur Identifizierung von Cross-Selling-Potenzialen in der Post-Merger-Integration – und überwachen kontinuierlich die Kundenzufriedenheit.
Stellen Sie sich folgende Frage: Welche Anforderungen stellen Kunden an die neue Organisation und wie kann sie diesen besser begegnen als zuvor?
2. Angebote und Leistungen kannibalisieren sich
Horizontale Fusionen gehen typischerweise mit Überschneidungen im Portfolio einher. Diese führen zu internem Markenwettbewerb und zu inkonsistenten Produktprofilen. Aus Kundensicht entstehen dadurch Unsicherheiten, etwa durch den Wegfall gewohnter Optionen oder die Befürchtung einer stärkeren Abhängigkeit vom fusionierten Anbieter.
Die Folge sind Kannibalisierungseffekte und eine schwächer differenzierte Marktposition statt zusätzlichem Wachstum durch neue Vertriebswege.
Dass diese Dynamik reale Konsequenzen hat, zeigt das Beispiel der Übernahme der holländischen Versandapotheke DocMorris durch den Pharmagroßhändler Celesio im Jahr 2007 für 220 Millionen Euro. Die Übernahme zielte auf Wachstum durch neue Vertriebswege ab, führte aber zu Umsatzverlusten im Stammgeschäft. Viele Apothekenkunden wandten sich ab, da sie DocMorris als Konkurrenz wahrnahmen. 2012 verkaufte Celesio DocMorris für gerade einmal 25 Millionen Euro – ein deutlicher Rückzug aus einer strategisch fehlgeleiteten Integration.
Was dagegen hilft:
Saubere Markenarchitekturen. Wenn im Zuge einer Fusion mehrere Marken im Markt verbleiben sollen, müssen diese – aus Sicht der Kunden – deutlich voneinander abgegrenzt positioniert sein.
Kundenorientierte Produktportfolio-Bereinigung. Das gemeinsame Portfolio wird dabei vorrangig nach Kundennutzen bewertet und es werden bewusste Entscheidungen über die Eliminierung, Weiterentwicklung oder Zusammenlegung von sich möglicherweise kanibalisierenden Produktlinien getroffen.
Proaktive Nutzenkommunikation. Wenn Fusionen und Übernahmen für die Kunden echte Vorteile bringen, sollten diese zeitnah, verständlich und vor allem wiederholt kommuniziert werden, um Ängste und Unsicherheiten zu zerstreuen.
3. Der Vertriebsmitarbeiter geht und mit ihm die Kunden
M&A-Transaktionen erzeugen hohe Unsicherheit bei Mitarbeitern, insbesondere in vertriebsnahen Funktionen. Da Kundenbeziehungen oft an bestimmte Vertriebsmitarbeiter gebunden sind, können diese beim Wechsel erhebliche Umsatzeinbußen verursachen, wenn sie ihre Kunden mitnehmen. Zusätzlich entstehen Konflikte um Bonusansprüche und Umsatzzuordnungen zwischen den ehemals getrennten Vertriebsteams. Auch Wettbewerber nutzen diese Phase, um die besten Talente und Kunden abzuwerben.
So schlägt das, was eigentlich als Wachstums- und Synergietreiber gedacht war – ein gestärkter Vertrieb – ins Gegenteil um, und es gehen Marktanteile verloren.
Was dagegen hilft:
Frühzeitige Kommunikation nach innen: Entwicklung eines detaillierten Kommunikationsplans, der Vertriebs- und Customer Service-Teams rechtzeitig informiert und einbindet, um Abwanderungstendenzen zu minimieren.
Gezieltes Retention-Management: Identifikation und Bindung von Schlüsselmitarbeitern durch klare Perspektiven, Beteiligung an Integrationsaufgaben und angepasste Anreizsysteme.
Nahtlose Kundenansprache ab Day 1: Entwicklung eines strukturierten Kommunikationsprogramms, das Vertriebsmitarbeiter bei der einheitlichen, proaktiven Kundenansprache unterstützt.
Fazit
Horizontale Fusionen können nur dann erfolgreich sein, wenn sie von Anfang an konsequent aus Kundensicht entwickelt werden. Unternehmen müssen verstehen, wie Kunden die Transaktion wahrnehmen und welche Vor- und Nachteile sie davon erwarten. Wer seine M&A-Strategie durchgängig kundenorientiert gestaltet, schafft nachhaltige Wettbewerbsvorteile und verwandelt geplante Synergien in dauerhafte Wertsteigerung.
(1) Homburg (2005), Lucks (2013)




