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Vertrauen als unterschätzte Schwachstelle bei Fusionen und Übernahmen

Aktualisiert: 1. Aug.


Stellen Sie sich vor, Sie haben über Jahre hinweg eine solide Geschäftsbeziehung zu einem Partner aufgebaut. Es gibt gemeinsame Projekte, bewährte Abläufe und ein eingespieltes Team. Dann kommt die Nachricht, dass Ihr Partner übernommen wurde. Plötzlich sind die gewohnten Ansprechpartner weg, Strukturen und Abläufe ändern sich und niemand kann Ihnen sagen, was das für Sie und Ihr Geschäft bedeutet.


Genau diese Situation erleben B2B-Kunden regelmäßig bei Fusionen und Übernahmen – mit dem Ergebnis, dass das über Jahre mühsam aufgebaute Vertrauen innerhalb weniger Wochen bröckelt. Für das akquirierende Unternehmen bedeutet dies oft den Verlust dessen, was es eigentlich kaufen wollte: etablierte Kundenbeziehungen und Marktposition.


Vertrauen ist die zentrale Währung im B2B-Geschäft und bei Fusionen besonders anfällig. Dieses Vertrauen wird insbesondere durch zwei Entwicklungen zerstört: Chaos in den Kundenprozessen und Versagen in der Kommunikation. Kundenverluste sind die Folge.



M&A bringen Kundenprozesse und -beziehungen in Gefahr


In B2B-Märkten haben Kunden über Jahre hinweg Vertrauen zu einem Anbieter aufgebaut. Dies geht häufig mit langjährigen Verträgen, eingespielten Prozessen und engen, zum Teil persönlichen Kontakten einher.


Eine Fusion oder Akquisition bringt diese Beziehungen und Vereinbarungen jedoch ins Wanken: Bewährte Prozesse werden „optimiert” und funktionieren anschließend nicht mehr wie gewohnt. Preise und Konditionen stehen zur Diskussion oder die Produktpalette wird überarbeitet. Besonders kritisch wird es, wenn vertraute Ansprechpartner andere Zuständigkeiten erhalten oder erfahrene Key-Account-Manager das Unternehmen verlassen. Letztere verkörperten oft das Vertrauen ihrer Kunden zum Unternehmen. Mit ihrem Weggang verliert das Unternehmen nicht nur Know-how über Produkte und Märkte, sondern auch die persönlichen Beziehungen, die jahrelang gepflegt wurden.


Selbst wenn Änderungen eigentlich Verbesserungen sind, wirken die entstehenden Unsicherheiten wie Gift auf etablierte Geschäftsbeziehungen.



Versagen in der M&A Kommunikation hinterlässt verwirrte Kunden


Am Day 1 funktioniert die M&A Kommunikation meist noch - Pressemitteilungen sind abgestimmt, erste Kundenbriefe verschickt und die Mitarbeiter halten FAQs für ihre Kundengespräche in der Hand.


Doch sobald die operative Integration Fahrt aufnimmt und der Fokus des Managements nach innen rückt, leidet die interne und externe Kommunikation und es entsteht ein Kommunikationsvakuum nach außen. Verschiedene Abteilungen geben unterschiedliche Informationen weiter und der Kollege aus dem Sales kommuniziert etwas anderes als die letzte offizielle Pressemitteilung. Erhalten Kunden keine oder unterschiedliche Informationen aus einem Unternehmen, wirkt dies nicht nur chaotisch und unglaubwürdig, sondern erschüttert auch das Vertrauen der Kunden.


Die viel gerühmte Innensicht führt im M&A-Prozess zu einem Vakuum in der Außenwahrnehmung. Der daraus folgende Vertrauensverlust führt dazu, dass verunsicherte Kunden sich nach Alternativen umsehen.

Vertrauensschäden zeigen sich erst Monate nach der M&A-Transaktion

Unternehmen erkennen oft erst nach dem Closing die subtilen Beziehungsgeflechte und Vertrauensstrukturen. Obwohl Kunden- und Marktanalysen Teil der Commercial Due Diligence sind, bleiben Informationen über immaterielle Werte wie die Kundenwahrnehmung und tatsächliche Werttreiber des Zielunternehmens oft unzureichend dokumentiert oder werden in dieser Phase seltener untersucht. Erst im Alltag der Integration wird sichtbar, welche Kundenbeziehungen auf persönlichem Vertrauen basierten und durch die Veränderungen gefährdet sind.


Vertrauensverluste zeigen sich nicht sofort in den Zahlen. Während Kosteneinsparungen schnell sichtbar werden, manifestieren sich Kundenverluste in der Regel erst nach Monaten. Denn B2B-Kunden kündigen ihre Verträge selten sofort, sondern warten ab und bewerten die neue Situation erst nach einiger Zeit. Neue Aufträge werden häufig kritischer geprüft und im Zweifelsfall an Wettbewerber vergeben.


Erschwerend kommt hinzu, dass entsprechende Maßnahmen zur Messung des Kundenvertrauens in der Praxis oft vernachlässigt werden, obwohl dies grundsätzlich möglich ist. Dies kann beispielsweise über die Erhebung der Weiterempfehlungsbereitschaft oder der Kundenzufriedenheit erfolgen.


M&A-Erfolgsbeispiel: Irischer Baustoffhersteller stabilisiert Kundenvertrauen durch strukturierte Kommunikation


82% der der B2B-Kund:innen bleiben ihrer Marke auch nach einem M&A treu – sofern die Integration transparent und wertschätzend kommuniziert wird. Harvard Business Review, 2023

Ein gut untersuchtes positives Beispiel (und ein Beleg für die oben genannte Aussage) lieferte die Übernahme der irischen Readymix plc durch den Baustoffhersteller Cemex. Um Unsicherheiten zu minimieren und Vertrauen zu festigen, setzte Cemex auf eine mehrgleisige Kommunikationsstrategie: Kunden und Finanzanalysten wurden direkt informiert, eine transparente interne Kommunikation etabliert und Workshops mit den Vertriebs- und kundennahen Teams durchgeführt, um die Mitarbeiter als "Sprachrohr" gegenüber den Kunden zu befähigen und deren Verständnis für die Integration zu fördern. Dies zeigte, dass auch mit kleinem Budget gute Kommunikation möglich ist.


Die Kommunikationsstrategie und das strukturierte Rebranding zu Cemex Ireland schuf Orientierung für die B2B-Stakeholder. Das wirkte sich nicht nur positiv auf die Kunden aus, sondern im Zuge weiterer gut gemanagter Unternehmensintegrationen auch auf den Aktienkurs. (Lambkin, 2009).


Zusammengefasst: Vertrauen als strategischer Vermögenswert


Vertrauen in B2B-Beziehungen ist kein weicher Faktor, sondern ein harter Vermögenswert. Unternehmen, die bei Fusionen systematisch Kundenvertrauen zerstören, vernichten den Wert, den sie eigentlich erworben haben.

Chaos in Prozessen und Kommunikation verunsichern Kunden und Mitarbeitern und gefährden Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Die späte Sichtbarkeit der Schäden verhindert rechtzeitige Korrekturen. Doch wie das Cemex-Beispiel zeigt, gibt es Wege, Vertrauen auch in Zeiten des Wandels zu bewahren und sogar zu stärken.

Der erste Schritt: Vertrauen als das zu erkennen, was es ist - die Basis jeder erfolgreichen B2B-Beziehung und damit ein strategischer Erfolgsfaktor, der dieselbe Aufmerksamkeit verdient wie Bilanzen und Verträge.



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